Berichte von Corona-Zeiten


Stimmen aus dem Stadtteil #1

M. (28)

Seitdem ich mein Studium beendet habe, bin ich als Aushilfe im öffentlichen Bereich und beim Catering tätig. Das ist seit März komplett gestrichen worden. Zur Zeit lebe ich noch von Ersparnissen und Unterstützung seitens meiner Familie. Bis zum Antrag auf Arbeitslosengeld II ist es aber nicht mehr weit, dennoch bleibt ungewiss, wie es mit meinen jetzigen oder möglichen Arbeitsstellen weitergeht. Denn wer weiß, ob laufende Bewerbungensverfahren nicht aufgrund wirtschaftlicher Missstände eingestellt werden. Mit den Auflagen und Anordnungen hat sich auch mein soziales Leben verändert. Ich bin froh, dass ich nicht alleine wohne. So bleibt mir das Social Distancing etwas erspart. Aber meine Familie habe ich seit März nicht mehr gesehen. Es ist schon komisch, wie oft man jetzt miteinander telefoniert, nur um wieder die Stimmen zu hören. Videoanrufe werde ich wohl in Zukunft immer häufiger nutzen. Zum Glück hat der Frühling begonnen. So kann ich zumindest draußen, mit Abstand und auch nur einen FreundIn auf einmal, treffen.

Bis zum Antrag auf Arbeitslosengeld II ist es aber nicht mehr weit, dennoch bleibt ungewiss, wie es mit meinen jetzigen oder möglichen Arbeitsstellen weitergeht.

Stimmen aus dem Stadtteil #2

Frau Berger lebt mit ihrem Lebensgefährten und vier Kindern im Stadtteil. Sie studieren beide. In den Semesterferien unternehmen sie für gewöhnlich viele Ausflüge mit den Kindern, was aufgrund der geschlossenen Freizeiteinrichtungen in diesem Frühjahr nicht möglich war. Stattdessen wurde viel Zeit zu Hause verbracht. Nun beginnt die Universität wieder. Frau Berger muss sich auf ihre Examen vorbereiten. Die Universität bleibt weiterhin geschlossen, die Lehrveranstaltungen sollen online abgehalten werden. Die Situation stellt für sie eine Herausforderung dar, denn mit vier Kindern zu Hause studiert es sich schwer. Es ist ein großes Problem, dass es weiterhin keine Kinderbetreuung gibt. Eine Notbetreuung kommt für die junge Familie nicht in Frage, da sie nicht in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten. Wer trotzdem auf die Notbetreuung zurückgreifen möchte, muss sehr viel Geld bezahlen, eine Summe die bei vier Kindern schnell in den fünfstelligen Bereich geht, das ist auf keinen Fall zu stemmen. Eine konkrete Forderung ist, dass die Universität, wenn sie den Betrieb schon wieder aufnimmt auch eine Kinderbetreuung für die immerhin gut 1.000 Studierenden mit Kindern anbieten sollte.

Eine Notbetreuung kommt für die junge Familie nicht in Frage, da sie nicht in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten.

Stimmen aus dem Stadtteil #3

S., 27 years old

I’m a student of FSU Jena and I’ve lived in a student house in Lobeda for about three years now. Before Corona I had a student job but because of the pandemic my contract was not extended after March. When I found out about that, I applied and was accepted as a HiWi at another faculty in the university. But unfortunately, they told me the job was canceled because of the corona pandemic. At this point I started to get worried. As an international student whose parents can’t support her financially, I must work in order to buy food and pay rent, insurance and university. So together with a friend of mine who’s in a similar situation I applied for a grant from the ‚corona emergency fund‘ of the FSU, hoping to receive 450 Euros quickly to pay my rent and buy some food. They told me that some documents were missing a week later so I sent them in again. After that I didn’t get another reply, I don’t know what went wrong. German not being my native language makes it even more difficult to navigate the situation. Right now, my friends are lending me some money for food, but they don’t have a lot of money either. I managed to postpone the due date of my rent, but the rent will have to be paid off some day and I don’t know how I’m going to be able to do that if I don’t find a job very soon. This is a stressful time for me and a lot of my friends. We must keep studying while not knowing how to make ends meet in our day to day lives.

S., 27 Jahre alt

Ich bin eine Studentin an der FSU und wohne seit etwa drei Jahren in Lobeda. Vor Corona war ich als Werkstudentin tätig, aber mein Vertrag wurde aufgrund der Pandemie nach März nicht verlängert. Als ich das herausgefunden habe, habe ich mich direkt für eine Stelle als Studentische Hilfskraft an meiner Uni beworben und wurde auch angenommen. Wenige Tage später hat die Uni mir mitgeteilt, dass auch dieser Job aufgrund der Pandemie gestrichen wurde. Da habe ich angefangen mir Sorgen zu machen. Als internationale Studentin, deren Eltern sie nicht finanziell unterstützen können, muss ich arbeiten, um für Essen, Miete, Versicherung und Uni zu zahlen. Deshalb habe ich zusammen mit einem Freund, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, versucht einen Zuschuss vom ‚Corona-Notfonds‘ der FSU zu beantragen. Ich habe gehofft schnell 450 Euro zu bekommen, um meine Miete zahlen und Essen kaufen zu können. Die Uni schrieb mir eine Woche später, dass irgendwelche Dokumente fehlten. Ich habe sie erneut eingeschickt und danach keine Rückmeldung mehr bekommen, ich weiß nicht was da schief gelaufen ist. Die Tatsache, dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist erschwert die Situation noch mehr. Zurzeit leihen mir meine Freund*innen ein bisschen Geld für Essen, aber sie haben ja selber auch nicht viel. Ich habe nun eine Mietstundung beim Studierendenwerk beantragt, aber die Mietschulden werde ich trotzdem noch abbezahlen müssen. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, wenn ich nicht sehr bald einen Job finde. Es ist wirklich eine sehr stressige Zeit für mich und einige meiner Freund*innen. Wir müssen weiterhin studieren, während wir nicht mal wissen wie wir im Alltag über die Runden kommen sollen.

Da habe ich angefangen mir Sorgen zu machen. Als internationale Studentin, deren Eltern sie nicht finanziell unterstützen können, muss ich arbeiten, um für Essen, Miete, Versicherung und Uni zu zahlen.

Stimmen aus dem Stadtteil #4

E. (23)
Ich habe vom 20.02.2020 bis 18.03.2020 eine qualifizierte Entgiftung von Alkohol, Cannabis und Computerspielen in der Psychiatrie, Station Sucht in Jena am Philosophenweg gemacht. Darauf wollte ich eine Langzeittherapie / medizinische Reha machen und, sollte eine nahtlose Verbindung der Entgiftung
und der Reha vom Aufnahmedatum her nicht klappen, die Suchttagesklinik in Jena-Ost (?) besuchen.
Nun hatte die Suchttagesklinik aufgrund des Corona-Virus geschlossen, also kam ich zurück nach Hause in mein gewohntes Umfeld und musste mich ohne professionelle Hilfe disziplinieren nicht zu konsumieren, was eine Weile gut ging. Relativ schnell jedoch kam es wieder dazu, dass ich den Computer anschmiss und meine Spiele begrüßten mich wieder.
Anfangs setzte ich mir eine Regel von 2 Stunden täglich maximal, jedoch uferte es nach ein-zwei Wochen aus und ich spielte bis zu meiner Abreise zur Reha bis zu 6 Stunden täglich. Von Alkohol und Cannabis konnte ich mich jedoch fern halten, sodass es bei der Aufnahme in der Reha keine Probleme gab, da ein Drogentest durchgeführt wurde.

Nun hatte die Suchttagesklinik aufgrund des Corona-Virus geschlossen, also kam ich zurück nach Hause in mein gewohntes Umfeld und musste mich ohne professionelle Hilfe disziplinieren nicht zu konsumieren, was eine Weile gut ging.

Unseren Aufruf zur Einsendung von Ihrer Geschichte finden Sie hier.


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