Bürgerbegehren der Bürgerinitiative für soziales Wohnen in Jena wird von der Stadtverwaltung abgelehnt – geforderte Inhalte seien rechtswidrig. Bürgerinitiative kritisiert Stadt und Verwaltung.
Die Mietpreisentwicklung in Großstädten, darunter auch Jena, kennt seit Jahren nur eine Richtung: steil aufwärts. Insbesondere für einkommensschwächere Haushalte nimmt diese Entwicklung bedrohliche Ausmaße an, Verdrängung und Zwang zum Sparen sind die Folgen. Diese Ungerechtigkeit und Missstände sind der Ausgangspunkt des Engagements der „Bürgerinitiative für soziales Wohnen in Jena“.
„Wir sind überzeugt, dass eine Wohnungspolitik nur dann sozial ist, wenn sie es schafft, Mietern den zu ihrer Lebenssituation passenden und zugleich bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen und zwar dort, wo sie auch leben wollen“ meint Georg Enzmann.
Mit dieser Haltung mischt sich die Bürgerinitiative in die Wohnungspolitik ein und fordert mit einem Bürgerbegehren die „Rekommunalisierung“ und „Demokratisierung“ von jenawohnen Der Antrag wurde von der Stadtverwaltung jedoch abgelehnt. Zu den Ablehnungsbegründungen der Stadtverwaltung beziehen wir im Folgenden Stellung.
Die Stadtverwaltung schätzt die politische Zielrichtung unseres Antrags wie folgt ein: „Den Ausführungen ist zu entnehmen, dass Hintergrund die Beeinflussung der Preisentwicklung für Mietraum? in Jena allgemein ist. Es wird von einer Marktmacht jenawohnens ausgegangen, hiervon ausgehend ist erklärte Absicht durch ein Einfrieren oder Senken der Mieten jenawohnens Einfluss dahingehend auszuüben, dass anderer Jenaer Vermieter perspektivisch zur Mietpreisentlastung gezwungen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ (S. 8, Ablehnungsbescheid).
Wir fordern tatsächlich, dass die Mieten bei jenawohnen wenigstens stagnieren, wenn nicht sogar sinken. Für die Durchsetzung dieser Forderung sehen wir ein Bürgerbegehren als geeignet an. „Ein Plebiszit drückt die Interessen schließlich unmittelbarer aus als jeder Stadtratsbeschluss“ erklärt Marcel Weikert. Zugleich gehen wir davon aus, dass stagnierende oder fallende Mieten bei jenawohnen allen MieterInnen dieser Stadt zu Gute kommen, durch die erzwungene Preisanpassung anderer VermieterInnen. Dass unser Bürgerbegehren diesen Effekt haben könnte, bestätigt uns also die Stadtverwaltung in dem oben genannten Zitat. Damit nimmt die Stadtverwaltung höchstpersönlich all jenen Gegnern der Rekommunalisierung und Demokratisierung aus Politik und Wirtschaft den Wind aus den Segeln, die behaupten dies seien Forderungen, die lediglich ein Einzelinteresse darstellen würden und im Widerspruch zum Gemeinwohl stünden.
Vielmehr sehen wir, dass hier versucht wird, die politische Lage zugunsten Weniger zu gestalten, nämlich zugunsten von Vermietern bzw. von den Eigentümern der Häuser, in denen wir wohnen.
Den Interessen von MieterInnen eine stärkere Stimme zu geben ist die Aufgabe und Herausforderung unserer Politik. Gerade weil diese Interessen (in ihrer Vielseitigkeit) in herkömmlichen politischen Aushandlungen oft wenig Berücksichtigung finden, gehen wir davon aus, dass es Instrumente wie die von uns vorgeschlagenen Mieterräte braucht. Ohne Zweifel wäre ihre Einführung ein Experiment, aber eines das in Gießen etwa schon seit mehr als 25 Jahren erfolgreich erprobt wird. Die Zufriedenheit der MieterInnen eben dieser kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ist nicht zufällig eine der höchsten in ganz Deutschland. Insofern bedauern wir es, dass unser Experiment hier vor Ort schon an der ersten Hürde Sand ins Getriebe gestreut bekommt.
Stadtverwaltung erklärt geforderte Mieterräte als Verstoß gegen geltendes Recht – Bürgerinitiative sieht sie als notwendig an für lebendige Demokratie und Gemeinwohl.
So lautet die grundsätzliche Aussage des Ablehnungsbescheids, dass das „Begehren ein gesetzwidriges Ziel verfolgt.“, weil das „geforderte Instrument der Mietermitbestimmung […] in der konkreten Ausgestaltung gegen Rechtsvorschriften“ verstößt (S. 6).
Gemeint ist hier unsere Forderung nach einem Mieterrat, welcher eine Mehrheitsentscheidung des Aufsichtsrates – Beispielsweise eine Mieterhöhung – bis zur nächsten Sitzung aufschieben und Gegenvorschläge erarbeiten kann. Wir halten die Mieterräte für eine Form der ständigen Willensbildung von unten. Und genau das ist für uns eines der wichtigsten Momente einer Demokratie, die tatsächlich im Leben und Alltag von Menschen verankert sein soll.
Laut Stadtverwaltung jedoch sei dieses Veto-Recht „rechtlich nicht zulässig“, da es gegen den „Grundsatz der Stimmgleichheit“ in Aufsichtsräten verstößt. Angesichts dieses Urteils, halten wir es für notwendig, Überlegungen anzustellen, ob denn geltendes Recht an einigen Punkten zur Schranke der Demokratie wird.
Wir als MieterInnen von jenawohnen möchten gerne mitentscheiden können und halten es für richtig, wenn wir wesentlichen Einfluss auf politische Aushandlungsprozesse bekommen, von denen wir bisher ausgeschlossen waren. Wir wissen, dass Demokratie auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung liegt zumindest bei jenawohnen momentan zum Großteil bei der Stadt Jena, was laut Ablehnungsbescheid rechtlich auch gar nicht anders möglich sei: Die „Gemeinde muss einen angemessenen Einfluss im Aufsichtsrat“ haben, um „im Sinne kommunalpolitischer Verantwortung“ handlungsfähig zu bleiben. Die Mieterräte mit Veto-Recht würden mit dieser in Konflikt geraten und „die Stadt gegebenenfalls bei wichtigen Entscheidungen der Unternehmensführung und -politik ihrer erforderlichen Einflussnahmemöglichkeit“ berauben.
Wir halten es für sinnvoll, den Einfluss von Regierungen zu begrenzen, denn die derzeitige Lage in Jena zeigt, dass diese ihrer Verantwortung gegenüber den Interessen von MieterInnen in den vergangenen Jahre nur in einem unbefriedigendem Maße gerecht geworden sind. Wir gehen sogar davon aus, dass es immer wieder Stadtratsmehrheiten geben wird, die sich für ein auf steigenden Mieten basierendes kurzfristiges „Erfolgsmodell“ entscheiden werden und damit gegen die Interessen von MieterInnen.
Jedoch: Die Stadtverwaltung geht von der Möglichkeit aus, dass wir als MieterInnen von jenawohnen dieser Verantwortung nicht gewachsen sind. So schreibt die Stadtverwaltung: „Unternehmen der Gemeinde […] sollen einen Ertrag für den Haushalt abwerfen“, sodass „mindestens alle Einnahmen des Unternehmens gedeckt sein müssen sowie zusätzlich angemessene Rücklagen“ ermöglicht werden. So sei aber „vor allem bei der Frage der Mietpreisgestaltung“ fraglich ob die „Verfolgung eines Gemeinwohlzwecks“ mit der „Verpflichtung dies nach betriebswirtschaftlichen Erfordernissen auszurichten.“ mit den von uns vorgeschlagenen Mieterräten noch zu verwirklichen sei. Kurz: die MieterInnen von jenawohnen würden durch ihre Einflussnahme die Mietpreise derart in den Keller treiben, dass das Unternehmen insolvent ginge.
Die Stadtverwaltung unterstellt uns, unser Einzelinteresse als Mieter rücksichtslos zu verfolgen und erklärt uns zu unmündigen Bürgerinnen und Bürgern, welche nicht in der Lage wären, das Allgemeinwohl (Querfinanzierung des Nahverkehrs und der Bäder) im Blick zu behalten.
Wir halten dagegen dass wir eine Subventionierung sozialer Infrastruktur befürworten, aber eine Debatte über alternative Finanzierungsmöglichkeiten notwendig finden. Zudem erklären wir, dass unsere Forderungen nach sinkenden Mieten selbstverständlich niemals ein Ausmaß verlangten, unter dem die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens leidet. Mit Wirtschaftlichkeit meinen wir allerdings die Deckung der Investitionen, Schuldentilgung und Verwaltung des Bestandes durch Kostenmieten und keine Millionenausschüttungen für die Stadt.
Bleibt noch die ärgerlichste Begründung für die Ablehnung unseres Antrags. Im Sinne „von wettbewerbsrechtlichen Bedenken“ sei die Einflussnahme durch Mieterräte auf die Mietpreisentwicklung bei jenawohnen „unlauter“ da „Mitbewerber gezielt behindert“ würden. Diese sei zwar „auch bei Leistungen unterhalb des ‚Marktpreises‘ gegeben“, in etwa beim Sozialwohnungsbau und deshalb auch „nicht grundsätzlich verboten; sie sind aber dann unlauter, wenn sie in Verdrängungsabsicht geschehen.“. Weiter heißt es: „Alleine eine nur kostendeckende Preiskalkulation, sofern sie auf längere Dauer angelegt ist und eine nicht nur unwesentlichen Marktanteil betrifft, birgt demzufolge die prognostische Gefahr einer Marktbehinderung.“. Hier offenbart sich in der Gesetzeslage, dass dem Einzelinteresse, Profit aus Wohnraum zu schlagen mehr Gewicht beigemessen wird, als dem Einzelinteresse nach geschütztem Wohnraum. Dies kritisieren wir, denn der Gewinn Weniger steht in keinem Verhältnis zu dem Leid Vieler, die diese Profitmöglichkeit erzeugt.
Wir weisen an dieser Stelle nochmals darauf hin, dass Alternativen mit Mieterräten bereits in anderen Städten wie Berlin und Gießen funktionieren. In diesem Sinne werden als Bürgerinitiative weiterhin für die legitimen Interessen der Mieterinnen und Mieter Politik machen.