Sehr geehrte/r Herr/Frau …
Am 27.03.18 fand zum zweiten Mal binnen weniger Wochen eine Versammlung zahlreicher Mieterinnen und Mieter Lobedas statt. Der Grund des Beisamenwohnens war die abermalige Ankündigung von Mieterhöhung vieler Wohnungen aus dem Bestand von jenawohnen. Mit Unverständnis und Wut reagieren wir als Mieterinnen und Mieter darauf. Wie kann es sein, dass Mieten steigen, ohne dass dies mit einer qualitativen Verbesserungen der Wohnungen oder des Wohnumfeldes einhergeht? Jenawohnen verweist auf die Veröffentlichung des neuen qualitativen Mietspiegels Ende letzten Jahres als Grund für die Verteuerung und argumentiert mit dem Sachzwang des von den Gesellschaftern vorgegebenen Rendite-Ziels von 5,5%. Die Stadt Jena profitiert als Anteilseigner über Ecken von den jährlichen Ausschüttungen. Und dennoch behaupten Regierung und Verwaltung seit Jahren dem Agieren von jenawohnen machtlos gegenüber zu stehen. Dies scheint jedoch nur solange zu gelten, wie es die Durchsetzung der Interessen der Mieterinnen und Mieter dieser Stadt nach bezahlbarem und inklusivem Wohnraum betrifft.
Wir beginnen zu begreifen, dass wir keine unmöglichen und maßlosen Forderungen stellen, wenn wir Politikerinnen und Politiker in die Pflicht nehmen, für ein würdevolles Dasein in dieser Stadt unabhängig von Geldbeutel, Herkunft, Geschlecht und Fähigkeiten zu sorgen. Wir halten fest, dass die politische Agenda der letzten Jahrzehnte dies wenigstens im Bereich der Wohnungspolitik nicht gewährleistete. Im Gegenteil verschärfte das Agieren von Verwaltung und Stadtrat die Wohnungsnot und trug so ihren Teil dazu bei, die Mietpreise lediglich im Interesse der Vermieterinnen und Vermieter zu stabilisieren, indem sie kontinuierlich steigen. Deshalb fragen wir uns als Mieterinnen und Mieter, ob die politisch Verantwortlichen dieser Stadt überhaupt ein Interesse daran haben, für eine Wohnraumversorgung einzutreten, die sozial und nicht ausschließlich monetär orientiert ist.
Wir erwarten von Ihnen, die als Oberbürgermeister-Kandidat/Innen vorgeben alsbald bestmöglich unsere Interessen vertreten zu können, aus diesem Grunde eine ehrliche und schriftliche Stellungnahme vor der Wahl zu ihrer wohnungspolitischen Agenda (an: mietertreff-lobeda@posteo.de). Folgende Fragen mögen Ihnen als Leitfaden dienen:
– Welche allgemeinen Maßnahmen und Instrumente gedenken Sie zu ergreifen, um der Mieterhöhungsspirale in Jena zukünftig etwas entgegen zu halten?
– Wie stehen sie zu einer Rekommunalisierung von jenawohnen und der Umgestaltung des Unternehmens in eine nicht Profit orientierte Wohungsbaugesellschaft?
– Wie garantieren Sie kurz- wie langfristig den Bestand und Ausbau des Anteils an Sozialwohnungen?
– Welche Beträge wurden in den letzten Jahren aus den Gewinnen von jenawohnen an die Stadt Jena ausgeschüttet? Wofür wurden die Gelder verwendet?
Wir sehen, dass Sie und ihre Parteien in unterschiedlichem Maße Mitverantwortung an der gegenwärtigen Wohnungsmisere tragen und auch in verschiedensten Abstufungen Interessen von Mieterinnen und Mietern vertreten. Wir möchten dennoch von Ihnen keine Ausreden oder Schönfärbereien hören. Wir wissen, dass die Wohnungssituation in anderen Städten noch angespannter ist, dass die Mieten in anderen Städten noch höher sind und schneller steigen, dass sich Verwaltung und Politik in anderen Städten als noch unfähiger erwiesen haben. Wir leben aber in dieser Stadt und wollen dies auch weiterhin tun, ohne einen Großteil unseres Einkommens für das Grundrecht Wohnen aufbringen zu müssen. In diesem Sinne wäre eine Antwort von Ihnen auf dieses Schreiben sehr wünschenswert, aufschlussreich und förderlich dafür, bei wem wir als Mieterinnen und Mieter demnächst unser Kreuzchen machen sollten.
Jena, 28.03.2018
Mit freundlichen Grüßen,
Marcel Weikert
i. A. des „Mietertreffs Lobeda“
PS: Falls Sie die obigen und weitere Fragen bereits auf Anfrage des Mietervereins Jena schriftlich beantwortet haben, bitten wir Sie diese an uns weiterzuleiten.